Jonathan Ive im Interview mit der Sunday Times: Über Designverständnis und Copycats

Dass Apple-Executives nur selten bis gar keine Interviews geben, ist allgemein bekannt. Nun hat Chefdesigner Jonathan Ive für die englische Sunday Times und ihre „Makers of the 21st Century“-Serie eine Ausnahme gemacht.

Jony Ive PassbildDer Redakteur der Sunday Times, Patrick Fraser, hatte die Gelegenheit, Johnathan Ive im kalifornischen San Francisco zu treffen. In seinem fünfseitigen ausführlichen Artikel spricht der Designer dabei nicht nur über seine Vorliebe für britische Nobelkarossen, sondern auch über sein Verständnis zu Design, das Verhältnis zu Steve Jobs und die Tatsache, dass seine Produkte nur zu gerne als Referenz genommen, sprich, kopiert werden. Das komplette Interview als PDF-Dokument in Druckqualität (ca. 29 MB) findet ihr hier. Wir haben daraus für euch die wichtigsten Aussagen Jonathan Ives herausgepickt.


Der Mann, der unter anderem für das Design des iMacs, iPhones und iPads verantwortlich ist, wird neben seiner auffällig unauffälligen Erscheinung auch als notorischer Earl Grey-Trinker und Freund eines Casual-Bekleidungsstils beschrieben, der selbst nach mehr als 20 Jahren Aufenthalt in den USA seinen britischen Akzent mit sanftem Essex-Einschlag bewahrt hat, und sich eher als Hersteller denn als Designer sieht. „Objekte und ihre Fertigungsprozesse sind untrennbar miteinander verbunden“, sagt Jonathan Ive. „Man versteht ein Produkt erst, wenn man versteht, wie es hergestellt wird. Ich will wissen, wofür die Dinge gemacht sind, wie sie funktionieren, was sie können oder woraus sie bestehen sollten, bevor ich mich überhaupt damit beschäftigen kann, wie sie aussehen sollen. Und immer mehr Menschen denken so. Die Idee des Handwerks wird wiederbelebt.“

Seine Herangehensweise an die letztendliche Entwicklung eines neuen i-Produktes ist daher unweigerlich mit zwei Prinzipien verbunden: Einfachheit und Perfektion. Auch sein immer noch „bester Freund“ Steve Jobs verfolgte einen ähnlichen Ansatz. „Steve und ich haben beizeiten monatelang an einem einzigen Produktteil gearbeitet, das meist niemand je zu Gesicht bekommen würde“, so Ive. „Es hatte nichts mit der Funktionalität zu tun. Wir taten es, weil es uns wichtig war. Denn wenn man erkennt, wie man etwas gut machen kann, dann aber dieses Prinzip nicht vollständig verfolgt – ungeachtet der Tatsache, ob das Bauteil gesehen wird oder nicht – das ist mit Scheitern vergleichbar.“

Jonathan Ive: „Steve Jobs’ Ideen waren mutig und großartig“

Im Gegensatz zu vielen anderen Zeitgenossen verband Ive und Jobs eine tiefe Freundschaft, die wohl vor allem bedingt durch zwei völlig verschiedene Charaktere funktionierte. „Er war so intelligent. Seine Ideen waren mutig und großartig“, sagt Ive über Steve Jobs. „Beim Ansehen von Objekten war das, was unsere Augen sahen, und das, was wir wahrnahmen, exakt identisch. Wir fragten die gleichen Dinge und waren gleichermaßen neugierig.“

Diese Neugier spiegelte sich auch in der eigentlichen Entwicklungsphase vieler Apple-Produkte wieder, in denen Jonathan Ive immer wieder unkonventionelle Ideen aus genrefremden Inspirationsquellen generierte. So berichtet der Designer, dass er schon Hilfestellungen bei Süßwarenherstellern gesucht hat, beispielsweise, um die lichtdurchlässigen, Jelly Bean-artigen Strukturen des ersten iMacs zu kreieren. Um Anregung bei der Entwicklung des Titanium PowerBooks zu bekommen, reiste er nach Niigata in den Norden Japans, um dortigen Metallarbeitern bei der Herstellung von äußerst dünnen Metallplatten zuzusehen.

Der Hang zum Perfektionismus und zur Kreativität bestimmte in Teilen auch das Privatleben der beiden Apple-Macher. So erzählt Jonathan Ive, der mittlerweile von Queen Elizabeth II geadelt wurde und sich nun als „Sir“ betiteln darf, von einer Anekdote, die ihm während einiger Reisen mit Steve Jobs widerfahren ist. „Wir gingen in das Hotel, das wir gebucht hatten, und ich bezog mein Zimmer“, erzählt der Apple-Designer. „Meine Taschen stellte ich unausgepackt neben die Tür. Dann setzte ich mich auf die Bettkante und wartete auf den unausweichlichen Anruf von Steve. ‚Hey Jony, dieses Hotel ist sch***. Lass uns gehen.‘“

Emotionale Bindung und der Ärger über Copycats

Nichts desto trotz ist das Leben eines erfolgreichen Designers, dessen Karriere zunächst mit einem Industriedesign-Studiengang am Newcastle Polytechnic begann, von Zweifeln und Frust geprägt. Selbst nach der Markteinführung eines so wegweisenden Produktes wie dem ersten iPod mit seinem reinweißen Design und den minimalistischen Earphones wurde Ive von der nagenden Frage ‚Hätte ich es nicht noch besser machen können?‘ verfolgt. „Das ist eines der Leiden, mit dem Designer verflucht sind“, sagt Jonathan Ive und runzelt die Stirn. Einen viel größeren Fluch sieht der Chefdesigner in den heutigen Gegebenheiten des Marktes, der nur allzu sehr auf Inspiration von direkten Konkurrenten bedacht ist. „Das Produkt, das man in der Hand hält, in sein Ohr steckt oder in der Tasche mit sich herumträgt, ist so viel persönlicher als eines, was auf dem Schreibtisch steht“, sagt Jonathan Ive. „Die Menschen haben eine sehr persönliche Beziehung zu dem, was wir machen.“

Auf die Frage, wie er zu der Tatsache steht, dass sein Design als Referenz, sprich als Vorlage zum Kopieren, für andere Hersteller wird, antwortet der Apple-Designer daher naturgemäß verärgert. „Das ist Diebstahl“, sagt Ive wie aus der Pistole geschossen. „Es wird nicht nur das Design übernommen, sondern auch Abertausende Stunden Anstrengung. Es braucht Jahre an Investitionen, Jahre an Qualen, bis man sagen kann, ‚Dafür hat es sich gelohnt‘.“ Und es war Steve Jobs, der den Ärger seines Designers nur zu gut in Kreativität umwandeln konnte.

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Kommentare 5 Antworten

  1. Das war für mich ein interessanter Bericht, und ich war gespannt auf den ersten Kommentar.

    Ich hoffe dieser war nicht ernst gemeint – den, ganz ehrlich, sind die ganzen „ich hab einen Fehler im Text gefunden“ Kommentare wirklich nötig? Ich würde mir wirklich interessanteres wünschen, als so oft zu lesen, wer bei wem einen Fehler gefunden hat.

    1. Du musst anscheinend „Wert007″s Kommentar noch einmal durchlesen. Er hat auf einen scherzhaften Umstand hingewiesen und eigentlich überhaupt nichts angeprangert, wenn man sein Kommentar nicht oberflächlich interpretiert.

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