Brydge: Der Niedergang eines einst aufstrebenden Tastatur-Startups

Bestellungen nicht bearbeitet, Angestellte nicht bezahlt

Noch vor einigen Jahren waren die Tastaturen des Unternehmens Brydge ein äußerst beliebtes Accessoire für viele iPad-Besitzer und -Besitzerinnen. Erhältlich für viele iPad-Modelle, konnte so das Apple-Tablet um eine vollwertige und abnehmbare Tastatur, teils auch inklusive Hintergrundbeleuchtung, erweitert werden. Vor allem das Brydge Pro+ für das iPad Pro verwandelte das Tablet mitsamt eines Trackpads auch äußerlich in einen kleinen Laptop. Auch weiteres Zubehör, darunter für Macs und Microsofts Surface-Tablet, bot das Unternehmen an.

Wie 9to5Mac nun berichtet, stellt Brydge den Betrieb ein. Laut Angaben von fast einem Dutzend ehemaliger Brydge-Angestellten, die mit 9to5Mac sprachen, habe Brydge im vergangenen Jahr nach mindestens zwei gescheiterten Übernahmen mehrere Entlassungsrunden durchlaufen. Laut 9to5Mac hätten die Mitarbeiter von Brydge seit Januar keine Gehälter mehr erhalten. Auch die Kundschaft, die das jüngste Produkt des Unternehmens vorbestellt hatten, seien seitdem ebenfalls im Ungewissen gelassen worden.


„Die Website des Unternehmens ging Anfang des Jahres vollständig offline, und auch die Konten in den sozialen Medien sind seither nicht mehr aktiv. Die ehemaligen Angestellten von Brydge führen das Scheitern des Unternehmens größtenteils auf Missmanagement während der Wachstumsphase, irreführende Aussagen der beiden Co-CEOs und ein insgesamt feindseliges Arbeitsumfeld zurück, das zu einer hohen Fluktuationsrate führte.“

Erst im Januar dieses Jahres vermarktete Brydge Vorbestellungen für ihr neues ProDock, eine Dockingstation mit Thunderbolt-Kompatibilität. Zuvor hatte man den Hersteller HengeDocks im Jahr 2019 übernommen und wollte so das eigene Portfolio um eine weitere Produktkategorie erweitern. Noch beliebter waren allerdings die oben bereits erwähnten iPad-Tastaturen von Brydge, darunter das hochwertig produzierte Brydge Pro+ aus Aluminium, das erstmals im Januar 2020 präsentiert wurde und über ein integriertes Trackpad verfügte.

Apple und Logitech als große Tastatur-Konkurrenten

Da iPadOS 13 zum damaligen Zeitpunkt jedoch keinen nativen Trackpad-Support anbot, war man auf einen Workaround angewiesen, der nur mittelmäßig funktionierte. Und nur drei Monate später stellte Apple dann auch das eigene Magic Keyboard für das iPad Pro vor, ebenfalls inklusive eines Trackpads. Drittanbieter-Tastaturen wie die von Brydge konnten auch nach dem Update auf iPadOS 13.4 samt nativem Trackpad-Support viele Gesten der Touchoberfläche nicht nutzen, was dem Magic Keyboard auch aufgrund der besseren Systemintegration einen deutlichen Marktvorteil verschaffte. Und dann kam auch noch Logitech als weiterer Konkurrent ins Spiel.

„Erschwerend für Brydge kam hinzu, dass Apple eng mit Logitech zusammenarbeitete. Als iPadOS 13.4 mit Trackpad-Unterstützung angekündigt wurde, stellte Logitech sein eigenes Tastaturgehäuse mit Trackpad-Integration für iPad und iPad Air mit voller Unterstützung für Apples Multitouch-Trackpad-Funktionen vor. Brydge hatte keine Hinweise darauf, dass Apple am Magic Keyboard oder mit Logitech zusammenarbeitet […]. Dies führte zu interner Frustration bei Brydge […]. Brydge-Führungskräfte und -Angestellte waren der Meinung, dass Apple sie im Regen stehen ließ, während Logitech besonderen Zugang zu ihrer Software erhielt.“

Trotz des offensichtlich schlechter abschneidenden Tastatur-Produkts war der Cashflow von Brydge im Jahr 2020 laut 9to5Mac „unglaublich knapp“. Es sei für das Unternehmen nicht möglich gewesen, den Verkauf des Brydge Pro+ zu stoppen, da das Produkt die wichtigste Einnahmequelle war. „Ohne diese Verkäufe hätte das Unternehmen nicht überleben können.“ Erst im Februar 2021 konnte Brydge nach schwieriger Zusammenarbeit mit Apple einen kompletten Multitouch-Support für das eigene Trackpad ausliefern – ein ganzes Jahr nach dem Release des Apple Magic Keyboards und Logitechs Tastaturhülle.

Schwierige Führungspersönlichkeiten und erste Entlassungswelle

Auch die im Bericht als „schwierig“ beschriebenen Persönlichkeiten der beiden Brydge-CEOs Nicholas Smith und Toby Mander-Jones sorgten im Unternehmen für Probleme. Der Führungsstil führte laut 9to5Mac dazu, dass die Fluktuationsrate bei Brydge höher gewesen sei als bei anderen Unternehmen – selbst bei anderen Tech-Startups ähnlicher Größe. Viele Angestellte blieben nicht länger als ein Jahr bei Brydge. Darüber hinaus bewachten „Mander-Jones und Smith die Finanzdaten des Unternehmens stets sehr genau“, so 9to5Mac. „Es wird angenommen, dass nur sehr wenige Personen innerhalb des Unternehmens – wenn überhaupt – die wahre finanzielle Lage von Brydge kannten.“

Nachdem im Jahr 2022 sogar eine Übernahme von Brydge durch das Unternehmen Razer im Raum stand, aber nicht zustande kam, befand sich das Startup mehr oder weniger im freien Fall. Ab November 2022 wurden erstmals Angestellte entlassen: Rund 20 Prozent der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mussten gehen. Auch eine Influencer-Aktion für bezahlten Content zum Launch des SP Max+, eines neuen Tastaturcases für das Microsoft Surface Pro, machte die finanziellen Probleme bei Brydge deutlich: Man konnte die versprochenen Zahlungen an die Influencer nicht leisten. Erst nachdem mit rechtlichen Schritten gedroht wurde, zahlte Brydge. Deutlich wurden die finanziellen Schwierigkeiten des Unternehmens für die Angestellten bei der Weihnachtsfeier im Jahr 2022.

„Im Dezember veranstaltete Brydge seine jährliche Weihnachtsfeier in einem örtlichen Restaurant. Mander-Jones und Smith hatten ein Budget für die Feier festgelegt, so hieß es, und sie hielten sich daran. Am Ende des Abends zückte einer der CEOs seine Karte für die Rechnung. Seine Karte wurde abgelehnt, und ein Mitarbeiter von Brydge bezahlte stattdessen die Rechnung […].“

Währenddessen befand sich Brydge in Gesprächen mit Targus für eine Übernahme, die eigentlich Ende Februar 2023 finalisiert werden sollte. Auch dieser Deal kam nicht zustande, so dass man gleich am nächsten Tag einen großen Teil der eigenen Angestellten entließ. Kurz darauf wurde das Unternehmen aus seinen Büros in Park City geworfen.

„Alle Mitarbeiter, die von Brydge in dieser zweiten Entlassungsrunde entlassen wurden, haben noch Gehaltsforderungen, die bis Januar zurückreichen. Die meisten von ihnen haben ihren letzten Gehaltsscheck Mitte Januar erhalten […]. Davor waren die Gehaltsschecks für die meisten Beschäftigten bereits verspätet eingetroffen.“

„Finanzielle Herausforderungen“ in der Corona-Pandemie

Auch Logistik- und Lieferketten-Partner wurden zu diesem Zeitpunkt nicht mehr von Brydge bezahlt. Zudem erhielten Personen, die das ProDock vorbestellten, keinerlei Informationen zum Status der Prozesse.

„Brydge hat auch die meisten Vorbestellungen für das ProDock, das im Januar angekündigt wurde, nicht erfüllt. Laut einer Reihe von Kunden, die sich an 9to5Mac gewandt haben, haben sie von dem Unternehmen keine Mitteilung über den Status ihrer Bestellungen erhalten. Mehrere ehemalige Brydge-Mitarbeiter sagten, dass Brydge schon bei der Annahme der Bestellungen im Januar wusste, dass die Chance, diese zu erfüllen, sehr gering war. Auch Brydge-Kunden, die Reparaturen oder Ersatz für Produkte suchen, die unter die Garantie fallen, wurden im Unklaren gelassen. Das Unternehmen hat keinem dieser Kunden öffentlich geantwortet.“

In einer Stellungnahme hat Brydge mittlerweile mitgeteilt, dass man die Geschäftstätigkeiten eingestellt hat. Die Marke Brydge und das geistige Eigentum des Unternehmens seien „von einem Dritten im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens erworben worden, das vom vorrangigen Kreditgeber eingeleitet wurde“. Das Aus des Unternehmens begründet man mit „finanziellen Herausforderungen“, „die sich aus den verzögerten Auswirkungen der COVID-bedingten Verteilungen in der Lieferkette und der Schließung von Einzelhandelsgeschäften in Verbindung mit höheren Frachtkosten ergaben.“

In einer E-Mail an frühere Angestellte, die in dieser Woche verschickt wurde, erklärt Brydge, dass man „an einigen möglichen Wegen arbeitet, um die ausstehenden Beträge zu begleichen“. Das Unternehmen nannte keinen Zeitplan für diesen Prozess und sagte, dass die Situation „nicht vollständig in unserer Kontrolle liegt und länger dauern kann als erwartet.“ Was mit ausstehenden Bestellungen und Garantiefällen für die Kundschaft passiert, steht derweil in den Sternen.

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Kommentare 4 Antworten

  1. Kurzfassung, Apple und Logitech ist schuld. Wir hatten so oder so keine Chance, dabei waren wir doch so toll. Preisleistung mehr so Richtung Luxus Segment…

  2. Mag möglicherweise an der schlechten Qualität liegen die heir verkauft wurde. Ich hatte so ein Teil und schon nach kürzester Zeit ist die Achse gebrochen. Hab mir dann die Originaltastatur von Apple gekauft. Qualität TOP!!!!

  3. Was war bei denen soviel besser als bei Logitech? Habe das Alleinstellungsmerkmal nicht verstanden?
    Wer war der Investor der sich die Patente und den Markennamen hat überschreiben lassen?

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