Die Farce des E-Rezepts: Weitere Schritte zur Einführung geplant

Deutschland vs Digitalisierung

Wenn ich das Wort „E-Rezept“ höre, möchte ich gleich schreiend die Hände vors Gesicht schlagen. Denn nicht nur die Coronavirus-Pandemie hat eindrucksvoll aufgezeigt, wo es in Deutschland beim Stichwort Digitalisierung noch deutlich Luft nach oben gibt. Ein hervorragendes Beispiel ist das E-Rezept, eine digitale Version des bisher zumeist auf rosa Zetteln ausgestellten Medikamenten- und Hilfsmittelrezepts aus der Arztpraxis.

Das E-Rezept soll die noch immer bestehende Zettelwirtschaft in Arztpraxen verringern und eigentlich schon zum 1. Oktober 2021 eingeführt werden. Dann verschob das zentral zuständige Unternehmen Gematik den Termin weiter nach hinten – der 1. Januar 2022 sollte es dann sein. Aber auch aus dem 1. Januar 2022 wurde nichts. Gematik ließ seinerzeit verlauten, „Das E-Rezept kommt.“, stellte aber durch den Produktmanager Hannes Neumann gleichzeitig fest, „Wir haben momentan kein Enddatum.“


Gematik ist das verantwortliche Unternehmen für die gesamte E-Rezept-Infrastruktur und soll das Gesundheitswesen zur Digitalisierung verhelfen. Die als GmbH gegründete Firma gehört zu 51 Prozent dem Bundesministerium für Gesundheit.

Nachdem es nun eine erneute monatelange Hängepartie gab, haben sich laut t3n nun Beteiligte aus dem Gesundheitswegen endlich „auf die weiteren Schritte zur Einführung des E-Rezepts geeignet“. Ab dem 1. September dieses Jahres seien Apotheken in Deutschland dazu verpflichtet, E-Rezepte anzunehmen.

Noch mehr Pilot-Einführungen und schwammige Aussagen

Arztpraxen müssen die elektronischen Rezepte allerdings noch nicht ausstellen. Für sie gilt ein regionales Stufenmodell, das ab September in Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe starten und sukzessive erweitert werden soll. „Ab dann sollen in einem Pilotverfahren immer mehr Praxen und Klinken dazukommen, damit die Nutzung stark nach oben geht und schließlich von einer flächendeckenden Anwendung die Rede sein kann“, so t3n.

In den beiden genannten Regionen sollen auch Arztpraxen und Kliniken ab Dezember 2022 verpflichtend E-Rezepte ausstellen. Allerdings hat das Vorhaben an dieser Stelle erneut einen Haken: Dies soll nur gelten, wenn die Gematik und ihre Gesellschafter (das sind neben dem Bund auch weitere Ärzte-, Klinik- und Kassenorganisationen) mit der Pilot-Einführung zufrieden sind und diese als Erfolg werten.

„Ebenfalls im Dezember soll die sukzessive Einführung des E-Rezepts in sechs weiteren Bundesländern starten und der Rest im kommenden Jahr. Auch dies steht unter Vorbehalt. Welche Bundesländer in welcher Phase starten sollen, ist noch offen.“

Für meine Begriffe gibt es hier noch eindeutig zu viele „unter Vorbehalte“ und „noch offen“. Im vergangenen Jahr scheiterte bereits eine Testphase in Berlin und Brandenburg, auch an einer mit Verspätung gestarteten bundesweiten Testphase beteiligte sich nur eine verschwindend geringe Anzahl an Arztpraxen. Bisher wurden in sechs Monaten etwa 24.000 E-Rezepte bundesweit eingelöst. Jährlich werden in Deutschland allerdings rund 500 Millionen Rezepte ausgestellt, so dass die Zahl 24.000 nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein sein dürfte. Womit wir wieder beim ersten Satz dieses Artikels und dem Schreiend-die-Hände-vors-Gesicht-schlagen-Zustand angelangt wären…

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Kommentare 22 Antworten

  1. Der Aussage, dass D in Digitalisierung mindestens einmal sitzen geblieben ist, kann ich leider nur zustimmen.
    Ich hätte mir für einen solchen Artikel aber auch einen differenzierteren Ansatz gewünscht. Einen Absatz zum Thema Datenschutz bei der App wäre schön gewesen. Immerhin werden hier sehr sensible Sozialdaten gespeichert und übertragen. Soweit ich weiß, war das einer der Faktoren, der zur Verzögerung geführt hat. Wenn die App, in der persönliche Daten, Medikationen und Ähnliches erfasst werden, Verbindungen zu Google über firebase aufbaut, trägt das auch nicht grade zum Vertrauen bei.

  2. Ich bin seit Monaten bei E-Rezept und E-Krankenakte registriert und freigeschaltet, konnte es aber bisher noch nirgends anwenden. 🤷‍♀️
    Ich befürchte, das wird genau so ein unnützes Ding wie der elektronische Personalausweis (bin ich auch freigeschaltet und konnte es bisher nur zur Abfrage meiner Punkte in Flensburg nutzen 🤪), was schade ist, da es natürlich die Zukunft ist.

    1. @ally: Das war mal vor ein paar Jahren. Inzwischen ist es eine sehr lange Liste geworden, was man mit dem Online-Personalausweis tun kann:
      ausweisapp.bund.de/anbieterliste
      Ich hatte vorletztes und letztes Jahr ein kriminelles Mieterpärchen und die regelmäßigen Mahn- und Vollstreckungsbescheide, die ich schicken musste, wurden durch die AusweisApp wesentlich erleichtert. Alles komplett papierlos. Die Alternative ohne Online-Personalausweis, die ich vorher genutzt habe: Antrag generieren, ausdrucken und zum Gericht schicken und nach einem Monat die Antwort bekommen, dass der Antrag erneut generiert werden muss, da der Barcode nicht eingescannt werden konnte. Und schon haben die Kriminellen einen weiteren Monat gewonnen. 👎🏻

      1. Aber dafür wie lange es diese Funktion schon gibt, ist der Nutzen für den Normalbürger trotzdem gering. Meine Stadt hat mehr als 100.000 Einwohner und ich kann absolut nichts online damit klären. Die Zahl der Städte, wo man wenigstens ein Kfz online zulassen kann ist auch nicht so groß.
        Die meisten europäischen Länder sind da sehr viel weiter.

        1. @ally: Lass Dich davon nicht verwirren, dass da einzelne Städte und Gemeinden namentlich genannt sind. Viele Dienste stehen bundesweit zur Verfügung. Das von mir beschriebene Mahn- und Vollstreckungsverfahren bspw. funktioniert auch bei Dir.

          1. Das ist schon klar. Worauf ich aber hinauswollte ist, dass der Bürgerservice der Standardsachen immer noch zum Großteil offline stattfindet.

  3. Das Ganze wird über das ’sichere‘ Ärztenetz abgewickelt, mit steinzeitlichen super sicheren Extra Routern und digitalen Zertifikaten. Es bedeutet für Praxen einen erheblichen Mehraufwand und funktioniert häufig gar nicht, weil das Netz nicht funktioniert oder schlicht elektostatisch verursacht abstürzt sobald eine Versichertenkarte eingelesen wird. Das bedeutet Mehraufwand, Chaos in den Praxen und ist schlicht zu kompliziert und störanfällig. Ob sicher weiss niemand. Die teuren Router müssen jetzt ersetzt werden, obwohl ein anderes Netzt schon am Start ist. Geldvernichtung im grossen Stil könnte man das ganze auch nennen.

  4. Für neue Techniken bin ich eigentlich immer zu haben und nutze sie auch zuweilen mit Begeisterung.
    Wenn ich allerdings unsere inzwischen geradezu verfassungsfeindliche Politik gerade in der Corona-Phase betrachte, wo sich viele Politiker in Zwangs- oder Überwachungsphantasien fast tagtäglich überboten haben (Ausgrenzung Un- oder Nocht-Nicht-Geimpfter, Quasi-Berufsverbote, Strafzahlungen und Gehaltsausfälle für Ungeimpfte, Zwangsimpfungen u.s.w.), kann einem nur Angst und Bange werden.
    Wenn solch‘ sensible Daten dem BMG (GmbH-Anteil 51 %) zur Verfügung stehen, werden sie auch im Sinne eines Überwachungstaates mißbraucht – das muss jedem klar sein. Und so Verrückte wie Lauterbach werden das machen, daran besteht kein Zweifel.

  5. Ernsthaft? Haben wir ein Sommerloch?
    In Gesundheitsämtern stehen noch immer Faxgeräte 🤫
    Karli Lauterbach beobachtet ganz verschärft das „Killervirus“, der hat keine Zeit für solche Nebensächlichkeiten. Wird nicht mehr lange ruhig sein. Die Zahlen klettern wieder… 🤣😂🤣
    Meine Patientenakte soll eigentlich längst auf nem Chip meiner Versicherungskarte gespeichert sein 😅😂
    Es ist in der Praxis tatsächlich nicht alles machbar, was so durch die Theorie geistert. Anwälte und Datenschützer haben da auch ein Wörtchen mitzureden. (siehe Impfpflicht)
    Verwaltungsangestellte und Mediziner (und deren Personal) sind nun mal keine ITler.
    Umgekehrt verstehen ITler aber auch nur ihren Fachbereich am Besten und können deshalb den Mediziner und Verwaltungsangestellten nicht ersetzen. Warum eigentlich nicht? 🤔
    Profi-Sportler (Millionäre) brauchen Finanzberater, weil sie nun mal keine Banker oder Börsenmakler sind – mal so zum Vergleich. Wenn sie aber nicht verstehen, was der Beauftragte tut, sind sie bald Pleite, denn wenn sie es verstehen, bräuchten sie ihn definitiv nicht.
    Man kann selten mal einfach so den Fachbereich eines Anderen ersetzen. Der Teufel liegt, wie immer, im Detail.
    Ich bin schon richtig froh, wenn ich meiner Apotheke den Screenshot meines Rezeptes vorab ( Apotheken-App) senden kann.
    Falls nicht auf Lager, kann es inzwischen geordert werden und ich kann es am Abend gegen Vorlage des Originalrezeptes das Medikament tatsächlich mitnehmen, brauche nicht noch 3 x wiederkommen. Ich bekomme rechtzeitig einen Rückruf, wenn das nicht klappt und spare so auch Zeit und unnötige Wege.
    Apropos: auch in der Medikamentenausgabe (Apotheke) werden wir in der Praxis enorm auf Lieferengpässe zusteuern. Es gibt sie bereits für einzelne Medikamente.
    Keine Rohstoffe , keine Produktion.
    Was bitte genau ändert daran ein E- Rezept?
    Weder, dass ich genauso umsonst unterwegs bin, noch dass ich bekomme, was nicht vorhanden ist.
    Das Thema ist so interessant, wie der Reissack in China!
    Gibt es sonst keine Aufreger?

  6. Liebe Mel,

    von dieser Handlung „ ich gleich schreiend die Hände vors Gesicht schlagen“ möchtest du bitte Abstand nehmen, du fügst dir mit dieser nur Schmerz zu. Allein, die Redewendung lautet abweichend.

      1. Philipp meint sicher die erstmals im Jahre 1590 durch Basilius Sattler schriftlich dokumentierte Redewendung „die Hände über dem Kopf zusammenschlagen“.

  7. War für diese Digitalisierungsthemen nicht unser ehemaliger Verkehrsminister verantwortlich? Dann wundert mich das gar nicht…

    1. 🤣😂🤣 👍🏼
      Fast, auch wenn es zu Scheuer passen würde…. 😅
      Wiki sagt:
      „ Sie gehört seit 2002 dem Deutschen Bundestag an und ist seit Dezember 2021 eine der stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
      Von 2018 bis 2021 war sie Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin sowie Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung im Kabinett Merkel“

      Dorothee ( Doro) Bär… öhm… hat irgendwer die Dame mal irgendwo in Action erlebt? 🤔

  8. Habe ab 2011 ein paar Jahre in Schweden gelebt. Schon zu dieser Zeit war es dort selbstverständlich, dass man beim Arzt nur seine Personennummer angibt (die muss in Schweden jeder haben) und im System wird darunter alles an Rezepten hinterlegt. Dann geht man zu einer beliebigen Apotheke, zeigt dort seinen Ausweis mit der Personennummer und die Apothekerin sieht, was an Rezepten vorhanden ist.
    Vorteile:
    Kein Papierkram
    Man erkennt mögliche Wechselwirkungen
    Missbrauch wird erschwert
    Folgerezepte sind möglich: Braucht man ein Medikament regelmäßig, kann man es zum Beispiel jeden Monat abholen ohne dafür nochmal zum Arzt zu gehen (meistens jeweils dreimal)

    Der Umzug zurück nach Deutschland war aber generell der Wechsel von einem digitalen in ein analoges Land.

  9. Echt geil: selbst in der Ukraine, in der Türkei und Bolivien gibts E-Rezepte seit einer Dekade. Echte Schade für Deutschland. Seit 1998 ist die digitale Gesundheitskarte angekündigt und es wird seitdem unter „Hochdruck“ daran gearbeitet. Legt euch wieder hin!

  10. Flüchtlinge aus der Ukraine haben erzählt, dass ihre Ämter quasi mit iPads ausgestattet sind und alles mehrsprachig existiert, während die Arbeitslosenanträge (und fast alle Behörden) mit Papier und etlichen Zusatzanträgen arbeiten. Das ist schon ein Armutszeugnis…

  11. Ich Seite mal den Blick etwas auf und kommentiere IT-Projekte sowie jene anderer Bereiche im Kernproblem mal grundsätzlich. Der Grund, warum die letzten 6 IT-Projekte (der weitestgehend großen Koalition) in die Hosen gingen und somit keines erfolgreich durchgelaufen ist, liegt genau so wie bei BER, der Elbphilharmonie (usw., usw.) in dem deutschen Ausschreibungssystem begründet. Es wird nämlich grundsätzlich der Billigste genommen und mit der Erweiterung auf EU-Ausschreibungen ist gesetzlich garantiert, dass Projekte scheitern, denn: Der Billigste (die nennen das „der wirtschaftlichste Anbieter“) kann niemals eine gute oder die beste Leistung abliefern und vor allem nicht mit gutem oder dem besten Material und qualifizierter Arbeit. Und jetzt komme mir bloß keiner mit Fixierten Anforderungen und Pflichtenheft: Schwachsinn! Die Fachabteilungen erwarten und brauchen und nutzen qualifizierte Projektberatung. Wenn ein oder zwei Anbieter dann tatsächlich viel Zeit und Schweiß investieren (das wird natürlich kostenlos erwartet), kann die Fachabteilung nicht mal sagen: „Mit dem machen wir das“. Denn die Behörden trauen ja nicht ihren eigenen Mitarbeitern (Stichwort Korruption). Korruption kommt allerdings fast immer im Management vor, nicht bei den Fachabteilungen. Haben die Fachabteilungen es aus welchen Gründen auch immer nicht geschafft, kostenlose Projektierung in Schriftsätze zu gießen, ist es jedem Anbieter möglich, den billigsten Schrott und nicht gutes Material anzubieten. denn alle wissen, daß sie nur zum Zuge kommen, wenn ihr Preis der niedrigste ist.
    Und auch die Klugscheißer die jetzt mit EU-Recht kommen, mögen die Klappe halten. Denn es gibt auch in der EU Länder, die nicht den Billigsten, sondern den Zweit-oder gar Dritt-günstigsten Anbieter nehmen, denn der hat garantiert seriöser kalkuliert als der Billigheimer. Jetzt erkennt man auch, warum so viele Projekte länger dauern und plötzlich 2 bis 3 mal so viel (oder mehr) kosten. Und zurück zu unserem E-Rezept: Klassisch… wie eingangs beschrieben.

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